Anke Angermeyer Anke Angermeyer
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Das Korsakow Institut über Anke Angermeyers Rekonstruktionen (2009):
Anke Angermeyer macht Bürokratie. Ihre Rekonstruktionen sind der Aufbruch in eine neue Textgattung, in der Personen, Zustände und Objekte durch die bürokratische Ansammlung von Wörtern und Zahlen erzählt werden. Mit ihren Rekonstruktionen schafft Anke Angermeyer eine Form des Ausdrucks zwischen Kunst und Literatur. Dabei erstehen Erzählungen von formaler und politischer Brisanz.

Zum einen stellen die Rekonstruktionen tradierte Begriffe von Literatur und Erzählung infrage. Sie lassen sich wie autobiographische Erzählungen lesen. Gleichzeitig stammt kein einziges Zeichen darin von der Autorin selbst. Man könnte also argumentieren, es handle sich hier nicht um Erzählung und schon gar nicht um Literatur. Allerdings stellt sich die Frage, was an einem originär-literarischer Text eigentlich tatsächlich vom Autor selbst geschaffen ist: Die Sprache und ihre Begriffe jedenfalls nicht. Die Zeichen des Textes auch nicht. Die Kunst, diese Zeichen zu arrangieren, nicht, und selbst die Ideen, die in einem literarischen Text verhandelt werden, hat der Autor selten selbst und niemals autonom entwickelt. Daher sind Anke Angermeyers Texte ein kritischer Kommentar zum modernen Text- und Literaturverständnis.

Zum anderen enthalten sie einen konkreten Zeitbezug. In der hochtechnisierten Informationsgesellschaft sind Fremd-Daten zu einem heiß begehrten Gut geworden. Überall findet sich das Individuum in der Spannung zwischen den Vorteilen globaler Vernetzung und den Gefahren des Datenmissbrauchs durch Staat und Unternehmen. Durch Handy und Evernet werden Freunde zu jeder Zeit wissen können, wo wir uns befinden - aber eben nicht nur Freunde. Google schenkt uns unendliche Speicher im Netz- aber Google liest mit. Elektronische Zahlungsmittel vereinfachen unser Leben - und zeichnen die Spur unserer Bewegungen in die Datenlandschaft. Anke Angermeyer macht sich freiwillig so gläsern, wie wir alle längst sind, ohne es zu ahnen. Die Selbstentblößung war immer ein Privileg der Künstler. Sie konnten damit Realität nachzeichnen anhand des Objekts, über das sie am meisten Informationen besaßen: sich selbst. Könnte es jedoch sein, dass die Künstler schon weit abgeschlagen sind und andere bereits viel mehr Informationen über sie besitzen, als sie jemals preisgeben können?

ICH(2005)
Anke Angermeyer über ICH: Ich sitze am Schreibtisch und bin umgeben von Wörtern und Zahlen, die ich selber hereingelassen, hierher gebracht habe. Jedes einzelne von ihnen habe ich um mich herum versammelt, im Laufe der Zeit: heute, gestern, vor einem Jahr oder vor zwei. Sie sind ein Teil meines Zimmers, ein Teil meines Lebens und damit ein Teil von mir selbst. Oder bin ich ein Teil von ihnen? Beschreiben sie mich? Bin ich durch sie rekonstruierbar? Ich erfasse jeden Buchstaben, jede Zahl, jedes Zeichen im Raum, schreibe sie auf und montiere daraus einen Text. Genügt es, ihn zu lesen, um mich zu kennen?

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